Es reiste dereinst, es war gerade Pfingsten, das Jahr jedoch ist nicht bekannt, ein gewisser Herr Bolle Richtung Pankow. Es geschah ihm zunächst das Malheur, dass ihm sein Sprössling in einer Menschenansammlung abhanden kam, woraufhin er eine ziemlich lange Zeit nach diesem suchen musste. Der Ausgang der Suche ist nicht überliefert, man darf aber annehmen, dass der Sohnemann verschollen blieb. Dies jedoch, und das verblüfft, änderte nichts an Bolles Vergnügtheit.
Am Ziel seiner Reise stellte Bolle fest, dass hier weder für Speis noch Trank gesorgt war. Kein Gerstensaft und keine warme Mahlzeit weit und breit, ja selbst der Verzehr eines Butterbrotes blieb ihm verwehrt. Doch blieb er erstaunlicherweise von Grund auf heiter.
Kurze Zeit später geriet Bolle in eine gewalttätige Auseinandersetzung, an der er in furchtloser Manier teilnahm. Ausschließlich zum Zwecke reiner Selbstverteidigung machte er hier von seiner mitgeführten Stichwaffe Gebrauch, womit er fünf seiner Kontrahenten ins Jenseits beförderte. Und dennoch verblieb Bolle frohgemut.
Im Morgengrauen, Bolle befand sich mittlerweile auf dem Heimweg, muss er eine jämmerliche Figur abgegeben haben. Im Zuge der abendlichen Fehde war seine Kleidung zerfetzt worden, und auch sein Nasenbein war geborsten. Schlimmer noch, er hatte teilweise sein Augenlicht verloren. Man mag es kaum glauben, doch seiner Behaglichkeit tat selbst dies keinen Abbruch.
Daheim angekommen wartete sogleich der nächste Konflikt auf ihn. Seine Angetraute schien missgestimmt und rasend vor Wut zu sein, und so begann sie sofort damit, Bolle minutenlang brutal zu züchtigen… sein sonniges Gemüt blieb sogar hiervon unerschüttert.
So schien es. Doch wieviel Leid kann ein Mensch ertragen?
Tatsächlich hatte Bolle nämlich beschlossen, seinem Leben ein Ende zu setzen. Hierfür hatte er den Plan geschmiedet, sich auf die Schienen zu legen, um in der Folge von der nächsten Straßenbahn überrollt zu werden. Diese jedoch vermochte es nicht, den Fahrplan einzuhalten. Bolle muss lange, lange Zeit darauf gewartet haben, endlich von der Bahn erfasst zu werden, doch diese kam und kam nicht.
So segnete Bolle letztendlich wunschgemäß, aber unplanmäßig das Zeitliche, indem er, so schlussfolgert man, schlicht verdurstete.
Ob dieser Vorgang mit einer tiefen Lustbarkeit einherging darf bezweifelt, kann aber nicht endgültig ausgeschlossen werden.
Volkslied – Bolle reiste jüngst zu Pfingsten